Entscheide ich oder werde ich entschieden?

geschrieben am: 30.06.2022 von: Oliver Haberger

Liebe Leserin, lieber Leser,

„Wir sind unsere Entscheidungen.“ sagte einmal der französische Philosoph Jean Paul Sartre. Tagtäglich treffen wir unzählige Entscheidungen, kleinere wie die Wahl zwischen einem Salat oder dem Schnitzel und auch größere wie etwa ein Haus- oder Autokauf.

Unser ganzes Leben besteht aus Entscheidungen – tatsächlich treffen wir jeden Tag bis zu 35.000 dieser Entscheidungen (Dies will eine vom Lightspeed Research im Auftrag von Huawei durchgeführte Studie aus dem Jahr 2017 herausgefunden haben). Dies fängt beim Aufwachen am Morgen an, wird im Büro fortgeführt und Endet erst spät nachts in der Tiefschlaf-Phase. Doch würde dies nicht bedeuten, dass wir rund alle 2,5 Sekunden eine Entscheidung fällen müssen? Würde uns dies nicht alle absolut überfordern?

Entscheidung treffen

Ohne Automatisierung geht es nicht

Bei einer Frequenz von einer Entscheidung alle 2,5 Sekunden wären wir den ganzen Tag mit nichts anderem mehr beschäftigt. Nur durch eine Automatisierung kann unser Gehirn der Überforderung entgegen steuern. Überholen wir den Fussgänger rechts oder links? Beiße ich einen großen oder kleinen Bissen vom Sandwich ab? Bremse ich oder beschleunige jetzt? Von all diesen Vorgängen bekommen wir zu 99,7 % nichts mit, sie laufen automatisch ab. Dies verdanken wir der Fähigkeit unseres Gehirns, Automatisierungen durchzuführen. Also Vorgänge unbewusst und parallel zu verarbeiten.

Zu diesen Abkürzungen des Gehirns bei Entscheidungen gehört auch das Bauchgefühl oder die Intuition.

Die System-Trennung nach Daniel Kahneman

Daniel Kahneman, US-amerikanische Kognitionswissenschaftler und Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften, hat zusammen mit Amos Tversky zwei Entscheidungs-Systeme erkannt, die in uns arbeiten: das System 1 und das System 2. Die beide sind für uns überlebenswichtig, da sie auf unterschiedliche Art und Weise die Entscheidungsfindung in uns lenken. Im Idealfall arbeiten beide Systeme zusammen, ansonsten geht jedes System seinen eigenen Weg. Dies ist jedoch selten von Vorteil.

Das System 1: schnelles, ungenaues Denken

Dieses System ist ständig aktiv. Es ist emotional, urteilt blitzschnell, reagiert automatisch und ohne willentliche Steuerung. Um eine Entscheidung zu treffen benötigt es nur wenige Informationen. So liebt dieses System auch Stereotypen. des Weiteren hält es sich nur sehr ungern mit Fakten oder gar rationalen Abwägungen und logischen Schlüssen auf. Vielmehr liebt es schnelle Lösungen und intuitive Entscheidungen. Ein Minimum an Informationen genügen diesem System bereits.

Das System 2: langsames, rationales Denken

Dem gegenüber steht das System 2, das rationale Denken oder auch der Verstand. Wenn das System 1 beispielsweise sagt: “Oh, diese Marketingkampagne wäre doch toll durchzuführen”, fragt das gründliche System 2 stattdessen: “Ist dies überhaupt sinnvoll? Haben wir das Budget dafür? Trifft die Kampagne mit ihrer Aussage die Zielgruppe, die wir ansprechen wollen? Und, passt es zu unserer langfristigen Unternehmensstrategie?”

Das System 2 fällt kurz gesagt logische Schlüsse und trifft rationale Erwägungen, während das System 1 schnell und emotional reagiert. Aber es gibt noch einen Unterschied: während das erste System schnell seine Entscheidung trifft, ist das zweite faul und träge und hält sich daher sogar gerne aus dem Entscheidungsprozess heraus.

Das energieraubende rationale Denken

Diese Trägheit des Systems 2 ist evolutionär damit zu begründen, dass rationales Denken und Abwägen energieraubend und anstrengend sind. Unser Gehirn verbraucht immerhin rund 20 Prozent unserer täglichen verfügbaren Energie. Und das, obwohl es nur 2 Prozent unserer Körpermasse ausmacht. Somit macht die Automatisierung unserer Entscheidungen über die Intuition (System 1) evolutionsmäßig sehr viel Sinn. In der grauen Vorzeit war immerhin das schnelle Urteilen über Freund/Feind oder Gefahr die Voraussetzung für unser Überleben.

In den vergangenen 15 Jahren wurde unsere Gesellschaft wieder offener für die Macht der Intuition, erkannte verstärkt die Bedeutung des Bauchgefühls für unsere Entscheidungen. Und dennoch – nach wie vor, insbesondere in der Wirtschaftswelt, werden das logische Denken und das rationale Abwägen weiterhin als die Basis unserer Entscheidungen angesehen. Es herrscht noch immer ein gewisses Misstrauen gegenüber der Intuition oder “Ahnung”.

Intuition ist unverzichtbar…

Doch wir brauchen die Intuition. Sie ist omnipräsent, sagt uns wie wir entscheiden sollen und das blitzschnell.

Vielleicht kennen Sie diese Situation: Man sitzt im Bewerbungsgespräch einem Kandidaten gegenüber, hat seine ausgezeichneten Bewerbungsunterlagen vor sich und dann sagt er auch noch was man hören will – und dennoch ist man sich unsicher. Oder auch umgekehrt – die Zeugnisse sind nur mittelmäßig, dennoch ist man aber überzeugt.

Hier arbeitet das System 1 und lässt uns durch unsere Intuition auch mal gegen unseren Verstand entscheiden. Intuitive Entscheidungen spielen auch beim sogenannten impliziten Wissen von Experten eine große Rolle. Häufig treffen diese Entscheidungen ohne genau sagen zu können, warum sie so und nicht anders reagiert haben. Etwas wie Feuerwehrleute, Polizisten oder Soldaten in Gefahrensituationen. Von ihnen wir blitzschnelles Handeln erwartet und so nehmen sie oft Informationen unbewusst wahr, verknüpfen sie intern zu einem Urteil und handeln danach. Gleiches passiert auch bei Führungskräften in der Wirtschaft, wenn eine Personal- oder Investitionsentscheidung aus dem Bauch heraus gefällt wird, entgegen allen vorliegenden Informationen.

Der 2011 verstorbene Apple-Gründer Steve Jobs ist hierfür ein sehr gutes Beispiel. Ihm waren Umfrageergebnisse nicht wichtig, sondern er folgte meist nur seinem eigenen Bauch. Heute ist Apple das am höchsten notierte Börsenunternehmen der Welt.

… und doch ist es gut, ihr gesund zu misstrauen.

Wenn die Intuition also so wertvoll für uns ist und sie so wunderbar funktioniert dann ist ja alles gut. Oder? Nicht ganz! Sowohl Kahneman als auch Gigerenzer schätzen ihren Wert, warnen jedoch gleichzeitig davor sich bei wichtigen Entscheidungen alleinig auf sie zu verlassen. Nicht in jeder Situation berät das Bauchgefühl richtig. Vielmehr schafft es sich häufig seine eigene, verzerrte Sicht auf die Dinge und führt und in die Irre.

Wie dies genau passiert und in welchen Situationen – darüber sprechen wir im nächsten Blogartikel. Bleiben Sie gespannt.

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Foto von SHVETS production: https://www.pexels.com/de-de/foto/hande-palmen-briefe-entscheidung-8410857/

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